Die ‘carasses’ im Barri gòtic

Die steinernen Gesichter der Altstadt gehören zu den vielen Kuriositäten Barcelonas. Wir erzählen, was die ‘carasses’ im Barri gòtic bedeuten.

Die Altstadt birgt unzählige Geschichten, viele davon stammen aus der Zeit, als die ‘ciutat comtal’ noch von Stadtmauern umgeben war. Man denke nur an die kürzeste Strasse der Stadt oder die sogenannte Straße der Schokolade. Andere entstanden erst in der “jüngeren” Vergangenheit, wie die Tradition der Culers, an der ‚Font de Canaletes zu feiern. Darüber hinaus findet man noch heutige an einigen Straßenecken kursiose Gesichter aus Stein. Welche Bedeutung die ‘carasses’ im Barri gòtic hatten, erklären wir in diesem Artikel.

An vielen Gebäuden und in verschiedenen Straßen der Stadt findet man Figuren wie Dämonen oder Wasserspeier, Frauen, oder sündige Gesichter darstellen. Durch den Teil der freimaurerischen Geschichte Barcelonas könnte man denken, dass ihre Symbolik mit dem Okkulten oder Zwielichtigen zu tun hat. Tatsächlich hat die Erklärung für diese in Stein gemeißelten Gesichter weit weniger mit mythologischen Komponenten zu tun.

Als Hafenstadt gab es in Barcelona im Laufe der Geschichte ein ständiges Kommen und Gehen von Reisenden aus aller Welt. Dass vor allem Matrosen nach ihren Seereisen ihre Bedürfnisse hatten, ist kein Geheimnis. Und auch wenn oft nur hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen wird, existierte das “älteste Gewerbe der Welt” hier schon, als die Stadt noch Barcino hieß.

La carassa de Papamosques (Foto: BarcelonAlemany.com)

Im Laufe der Zeit wurden die Freudenhäuser auf vielfältige Weise signalisiert: mit Blumen am Eingang, oder einer im unteren Teil rot gestrichenen Tür. Im 17. Jahrhundert war die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor Analphabeten (und auch ein großer Teil der Besucher der Bordelle. Daher wurde beschlossen, die berühmten ‚Carasses‘ im Barri gòtic zu platzieren. Um zu finden, wonach die Reisenden (und natürlich auch Einwohner) suchten, mussten sie einfach nur der Richtung folgen, in die die Steinfiguren blicken.

‚Carasses‘ mit Namen

Einige dieser steinernen Figuren haben sogar Namen. An der Ecke der Carrer dels Mosques und der Carrer de Flassaders befindet sich der Papamosques. Dieses Gesicht wird so genannt, weil es aussieht, als würde es Fliegen fressen. Laut den Erzählungen soll es dort sogar ein luxuriöseres Bordell gegeben haben. Ein weiteres Beispiel, La Caterina, befindet sich am Ende der Carrer Mestres Casals i Martorell. Hierbei ist die Verbindung mit den Frauen des schlechten Lebens wurde nicht bestätigt, aber alles deutet darauf hin, dass dies der Fall ist.

Zwischen Carrer dels Mirallers und Vigatants befindet sich die berühmteste und am besten erhaltene Figur. Im August 1983 wäre allerdings beinah verloren gegangen, als der Stadtrat das Gebäude im Rahmen eines Sanierungsplans für Ciutat Vella abriss. Nur dank einer Nachbarschaftsaktion konnte sie an anschließend an ihren Platz zurückkehren.

Carassa in der Carrer dels Trompeters (Foto: BarcelonAlemany.com)

Auch ganz in der Nähe der Kirche Santa María del Mar existiert noch heute einer dieser Köpfe. Er ist allerdings nicht ganz einfach zu finden, da er am Balkon im dritten Stock eines Gebäudes der Carrer dels Trompetes befindet. Hierbei handelt es sich ein bärtiges Gesicht. Dieses Zeichen wiess darauf hin, dass es auf dieser Etage nur weibliche Begleitpersonen gab.

Die Kirche und die Prostitution

Zumindest während des 17. Jahrhundert war sogar die Kirche in gewisser Weise am Geschäft mit der Lust beteiligt. An den Tagen religiöser Feiern wurden viele Prostituierte im Kloster der Ägypter, heutiger Sitz der CESIC-Delegation in Katalonien im Raval, eingeschlossen. Bei diesen Gelegenheiten versuchten die Nonnen, sie davon zu überzeugen, das Leben der Laster aufzugeben und sich ihrer Gemeinde anzuschließen.

Die Kirche erkannte jedoch, dass sie das Geschäft der Bordelle nicht verhindern konnte. So ging man dazu über, Barcelonas Freudenhäuser mit der Absicht zu kontrollieren, die Einnahmen für wohltätige Zwecke zu nutzen. Diese Verbindung wird im Zusammenhang mit der Erklärung, was die ‚Carasses‘ del Barri gòtic bedeuten, aber gerne verschwiegen.


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